"Psychologisch-Soziologische Unterschiede
zwischen Hobbyjägern und Nichtjägern"
Primär bestätigte sich die Hypothese, dass Hobbyjäger sich selbst eindeutig
aggressiver beurteilen als Nichtjäger. Es ist daher anzunehmen, dass Hobbyjäger
mit den geschmälerten Möglichkeiten der Lebensentfaltung unserer Zeit nur schwer
zu Rande kommen und die auftretenden Spannungen und Aggressionen mit derart
drastischen Methoden zu sublimieren versuchen. Laut Fromm (1971) steht die Summe
der zerstörerischen Tendenzen im direkten Verhältnis zur Einschränkung der
Möglichkeit expansiven Verhaltens. Durch diese überspannten
Sublimierungsforderungen der Gesellschaft schon vom Kindesalter an ist es vielen
Menschen nicht möglich, ihre triebhaften Aggressionen in ziel- und sachgerechte
Aktivitäten umzuwandeln.
Vom behavioristischen Standpunkt aus, ist es wahrscheinlich, dass Hobbyjäger die
Jagd - und damit aggressive Verhaltensweisen im Laufe ihrer Sozialisation
positiv erleben. Durch die Freude über den Abschuss und die Anerkennung und
Achtung durch andere Gleichgesinnte wird das aggressive Verhalten als lustbetont
erlebt.
Dieses Erlebnis wirkt sich als positiver Verstärker beim Lernen aggressiver
Verhaltensweisen aus. Weiters ist zu bedenken, dass der persönliche Bereich
eines Hobbyjägers dekoriert ist mit Sinnbildern der Überwältigung und des Todes
und dass sich selbstverständlich Waffen im Besitz der Familie befinden. Es wurde
in kontrollierten experimentellen Situationen einwandfrei bewiesen, dass
aggressives Verhalten durch soziale Übermittlung durch Vorbilder gelernt wird.
Auch beim Durchlaufen der Ausbildung können vermehrt Aggressionen entstehen. Der
Ausbildende lehrt als Modell aggressive Verhaltensweisen, die ohne vitalen
Bedürfniszwang sozusagen als "Erholung" gelernt werden.
Diese Annahme wird dadurch noch gestützt, dass 43,4 % der Hobbyjäger angeben,
aus traditionellen Gründen die Jagd auszuüben und 56,12 % diesen Grund zumindest
als wichtiges Argument dafür sehen.
Ein weiterer hoch signifikanter Unterschied zwischen Hobbyjägern und Nichtjägern
ergab sich hinsichtlich der externalen und internalen Erwartungen. Hobbyjäger
geben hoch signifikant häufiger als Nichtjäger an, die Ereignisse, die auf sie
zutreffen, von sich selbst abhängig zu machen als Nichtjäger. Dies ließ die
Annahme zu, dass Hobbyjäger durch ihre internalen Erwartungen auch eher
motiviert sind, selbst in das Naturgeschehen einzugreifen. Dies mag der Grund
dafür sein, dass diese Versuchspersonen selbst das Gleichgewicht im Wildbestand
regulieren wollen.
Weiters ergab sich, dass Hobbyjäger dazu tendieren im persönlichen Bereich
zufriedener zu sein, als Nichtjäger (p = 0,0421). Dies kann darauf zurückgeführt
werden, dass die jagdliche Tätigkeit durch ihre Rituale und traditionellen
Abläufe eine völlige "Andersartigkeit" bietet und dadurch die Flucht aus der
Zivilisation erleichtert. Außerdem bietet das Gefühl, gewisse Fertigkeiten zu
beherrschen, wie sie zur Jagd notwendig sind, Befriedigung und Entspannung.
Dieses Gefühl der Freude an der eigenen Geschicklichkeit ist für FROMM (1974)
eine der Hauptmotivationen des Jägers.
Auf ein Ergebnis möchte ich hier noch eingehen, weil es der Argumentation der
Hobbyjäger und den allgemeinen Erwartungen widerspricht. Hobbyjäger und
Nichtjäger unterscheiden sich nicht in ihrer Naturverbundenheit.
Dies mag daran liegen, dass in dieser Variable zu einem großen Teil das
Verhalten in der Natur außerhalb der jagdlichen Tätigkeit erfasst wurde. Es ist
aber anzunehmen, dass Hobbyjäger durch die jagdliche Tätigkeit ihre Bedürfnisse,
in der Natur zu sein und diese zu schützen, befriedigt sehen und ihre Freizeit
ausgeschöpft ist. Ein tatsächlicher Vergleich hätte erzielt werden können, wenn
diese Variable hauptsächlich Einstellungen zu Maßnahmen zur Verbesserung des
Hausbrandes, Bereitschaft sich ohne Auto fortzubewegen und eventuelle
Finanzierungshilfen für Investitionen in die Umstellung von Industrie u. a.
erfasst hätte.
Zusammenfassend lassen diese Betrachtungen die Annahme zu, dass die hohe Tendenz
zu aggressiven Verhaltensweisen das Motiv für die Ausübung der Jagd ist, und das
Hobbyjäger durch ihre internale Attributisierung verstärkt glauben, in das
Naturgeschehen eingreifen zu können und dieses manipulieren wollen.
Die Beliebtheit der Jagd steigt ausschließlich mit der Jagdleidenschaft hoch
signifikant, während das Interesse an der Hege und die Freude an der Natur als
Gründe für die Jagdausübung in keinem Zusammenhang mit der Beliebtheit der Jagd
stehen. Weiters zeigte sich, dass die Jagdleidenschaft hoch signifikant mit der
steigenden Tendenz zur Darstellung im Sinne der Sozialen Erwünschtheit sinkt.
Diese Tendenz, die Bedeutung der Jagdleidenschaft zu verfälschen, läßt sich aus
dem hoch signifikanten Zusammenhang zwischen der Jagdleidenschaft und der
Beurteilung der eigenen Aggressivität verstehen. Mit steigender Aggressivität
steigt die Jagdleidenschaft an.
Die Annahme, dass die Jagdleidenschaft eine Manifestation aggressiver
Verhaltensweisen ist, wird also bestätigt. Daraus geht hervor, dass mit
steigender Aggressivität und steigender Jagdleidenschaft die Anzahl der in den
letzten drei Jahren geschossenen Tiere sowie die Bereitschaft dem Wild unter
Umständen starke Schmerzen zuzufügen, ansteigen. Dabei soll nicht unerwähnt
bleiben, dass 44,15 % aller Hobbyjäger angeben, unter Umständen bereit zu sein,
Wildtieren starke Schmerzen zuzufügen und dass 32,8 % aller Hobbyjäger angeben
in den letzten drei Jahren mehr als 20 Tiere geschossen zu haben.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass bei Hobbyjäqern ein hoch
signifikanter Zusammenhang zwischen der Tendenz zur Darstellung im Sinne der
Sozialen Erwünschtheit und dem Zugeben der Bereitschaft, unter Umständen dem
Wild starke Schmerzen zuzufügen, besteht. Mit steigender Tendenz zur Darstellung
im Sinne der Sozialen Erwünschtheit sinkt hoch signifikant die Häufigkeit der
Bereitschaft, Tieren starke Schmerzen zuzufügen. Es ist daher anzunehmen, dass
die Häufigkeit der Bereitschaft, dem Wild starke Schmerzen zuzufügen, höher
gewesen wäre, wenn die Frage wahrheitsgetreu beantwortet worden wäre.
Weiters steigt mit der Bereitschaft, dem Wild unter Umständen starke Schmerzen
zuzufügen auch die Anzahl der geschossenen Tiere hoch signifikant an.Diese
Ergebnisse zeigen, dass mit steigender Aggressivität und damit steigender
Jagdleidenschaft die Bereitschaft, dem Wild u. U. starke Schmerzen zuzufügen
sowie die Anzahl der in den letzten drei Jahren geschossenen Tiere steigen.
Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass unter den Hobbyjägern eine Tendenz
dahingehend besteht, mit steigender Jagdleidenschaft sowie mit sinkender
Naturverbundenheit vermehrt Gams- oder Hirschbärte zu tragen.
Allgemein soll hier dazu erwähnt werden, dass es innerhalb der Gruppe durch das
Tragen eigener "Berufskleidung", das Unterhalten in einer eigenen Sprache sowie
die rituellen Abläufe und verschiedenen Zeichen, das Demonstrieren der
Zugehörigkeit zu einem eigenen Stand ausdrückt. Diese Zeichen und die eigene
Sprache sind insbesondere beim Jägerstand augenscheinlich. Innerhalb dieses
Standes ist es möglich, aggressive Verhaltensweisen zu zeigen und aufgrund des
gemeinsamen Konsensus innerhalb der Gruppe die kognitive Komponente der
Einstellung den Handlungen anzupassen. Weiters werden durch das Ansehen dieses
Standes, das aus dem hohen Prestige vieler Hobbyjäger resultiert, die
postulierten Motive für die Ausübung der Jagd, nämlich das Interesse an der Hege
sowie die Freude an der Natur, für die Bevölkerung glaubhaft.
Es zeigte sich, dass mit steigender Jagdleidenschaft und sinkender
Naturverbundenheit die Zeichen und Symbole, die die Zugehörigkeit zum Jägerstand
demonstrieren vermehrt getragen werden. Es ist zu erwähnen, dass 93 % der
Hobbyjäger angeben, Trophäen zu Hause hängen zu haben. Aus der Literatur über
die Jagd geht die bedeutende Rolle von Trophäen im heutigen Jagdwesen hervor. Um
dies eventuell zu erklären, werden folgende Betrachtungen dargestellt.
Trophäen sind Waffen des Wildes im Kampf gegen Nebenbuhler, bei einigen
Wildarten auch gegen Raubwild und den Jäger. Das ursprünglich griechische Wort
bedeutet "Siegeszeichen". Bei einigen südamerikanischen Indianerstämmen ist es
das Haupt des Feindes, das als "Schrumpfkopf" aufbewahrt wird. Auch Raubwild
trennt häufig den Kopf des gerissenen Beutetieres zuerst ab.
Sie sind Sinnbild der Wehrhaftigkeit und Überlegenheit des Jägers über das
Erlegte. Das Haupt des Wildes, vor allem dessen Zähne, Hörner und das Geweih
sind als Zeichen des Sieges für den Jäger besonders interessant. Innerhalb der
Freizeitjagd bekamen die Trophäen sportlichen Charakter. In den 30-iger Jahren,
mit dem Inkrafttreten des Reichsjagdgesetzes, nahm die Trophäenbewertung des
europäischen Wildes konkrete Formen an. Insbesondere das Hirschgeweih wurde nach
sehr diffizilen Punktesystemen bewertet. Die Trophäe wurde mehr wert als das
Wild. Spezialfütterungen (Mästungen) sollen dem Hirsch zum Medaillengeweih
verhelfen. Einzig und allein die Länge und der Umfang der Hörner entschied den
Wert des Wildes und Erlegers. Damit wurde die Trophäe zum Objekt der
Renommiersucht reduziert (Kalehreuter, 1979).
Aufgrund der Tatsache, dass auch weniger "wertvolle" Trophäen zur Schau gestellt
werden, drängt sich die Vermutung auf, dass auch andere Faktoren heute eine
Rolle spielen. Die oben genannte Darstellung von Wehrhaftigkeit und
Überwältigung durch die Trophäen des erlegten Wildes könnte, trotz ihrer
Nichtigkeit durch die hochdifferenzierte Waffentechnologie, nur noch rudimentär
vorhanden, immer noch mitwirken. Im Zusammenhang mit der großen Faszination, die
die Waffen auf diese Personen ausüben, liegt eine sehr interessante Hypothese
von Horst E. Richter in seinem Buch "Zur Psychologie des Friedens" (1984) vor.
Er versteht die Faszination der Waffen als eine Sublimierung präpupertärer
Omnipotenzwünsche und als Ausdruck von ästhetisch verklärten phallischen
Größenphantasien. Das Gefühl, dass man eine Waffe in der Hand hat, die, dem
kleinsten Befehl gehorchend, mit minimalem Aufwand große Resultate zu erzielen
vermag, kann offensichtlich als ersatzweise Erfüllung alter phallischer
Größenträume erlebt werden. Es scheint eine rauschhafte Beglückung zu sein, die
alle je erlebten phallischen Kränkungen aus der Kindheit momentan tilgt.
Typisch ist die in Militärkreisen vertretene Aussage: "Der Soldat wird in
gewissem Sinne auch ästhetisch erregt, wenn ihm das Fahrzeug oder die Waffe
gehorcht, wenn er mit kleinstem Zeit- und Kraftaufwand hohe Ergebnisse erzielt."
(Aus: Malowiow/Safronow; die marxistisch-leninistische Ethik und die Erziehung
der Soldaten).
Es herrscht längst Einigkeit darüber, dass technische Prothesen für die
Überwindung phallischer Minderwertigkeitsgefühle geeignet sind. Eben diesem
Zweck dient nach dieser psychoanalytischen Vorstellung der Waffenkult. Es
beginnt beim spielerischen und panthomimischen Darstellen und Benutzen von
Waffen bei kleinen Kindern und eskaliert in Krimi- und Westernfilmen, in denen
Colt und Winchester erst recht Symbol von Männlichkeit und Manneskraft werden.
"Diese mit sehr deutlichen sexuellen Akzenten versehene ästhetische Verklärung
von Waffen ist natürlich deshalb gefährlich, weil sie sich auf tatsächlich
vorhandene unbewußte Mechanismen stützt, welche die Verdrängung fördern können,
dass es eigentlich nur um Mord und Zerstörung geht." (Richter; a.a.O. 5 143).
Auszug einer Dissertation von Dr.
U. Grohs (Psychologin)
Auszug aus einem Gedicht von Jens Grote:
Wie geisteskrank muss man sein, um Jagd auf
Wehrlose als sein Hobby zu ergreifen? Was gibt es euch, wenn ihr feige aus dem
Hinterhalt Unschuldige ermordet? Unschuldige, die ihr euch selbst regelmäßig
heranzüchtet, um dann genauso regelmäßig zu behaupten, ihr müsstet sie ermorden,
da die Population sonst zu groß wird. Diese Population sind meine Mütter, meine
Väter, meine Brüder und Schwestern, die ist nur in euren Mörderaugen zu groß,
und selbst wenn sie es wäre, hättet ihr kein Recht auf einen Mord, eure dicken
Kinder und Verwandte werden trotz Überpopulation ja auch nicht einfach
abgeknallt. Wie widerlich muss man überhaupt sein, um aus unseren Leichen dann
noch stolz eine “Strecke” zu legen und diese geifernd abzufotografieren? Gibt es
etwas Grausameres, als sich Köpfe von Leichen in sein Wohnzimmer zu hängen, nur
um aller Welt zu zeigen, was für ein armes, feiges Menschlein man ist?
Ihr nennt mich Wild, mein Name ist Tier und ich
hasse euch.
Quelle:
http://www.s-o-z.de/?p=47993
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